Stellungnahme des Pfarrvereins EKBO zu einer geplanten Gesetzesänderung mit dienstrechtlichen Auswirkungen gemäß Abschnitt II der Pfarrvertretungs-Richtlinie vom 10.o2.2015
Begleittext zur Stellungnahme des Pfarrvereins für die Synode
Liebe Geschwister,
seit 2015 nimmt der Vorstand unseres Pfarrvereins in unserer Landeskirche offiziell die Aufgaben einer Pfarrvertretung wahr. Im Jahr 2022 wird eine gewählte Pfarrvertretung die Arbeit aufnehmen. Das bringt einige Verbesserungen mit sich, z.B. 0,5 Stellenanteile und eine noch breitere Verankerung in der Basis.
In der Begleitung von Personalfällen haben wir uns in diesen 6 Jahren immer konsequent für die Interessen der begleiteten Amtsgeschwister eingesetzt und gleichzeitig bei den Personalverantwortlichen unserer Kirche immer ein offenes Ohr gefunden, sodass fast durchweg überzeugende Lösungen gefunden werden konnten.
Deutlichen Handlungsbedarf sehen wir bei Stellungnahmen zu Gesetzesvorlagen. Obwohl der Pfarrverein dieses Recht schon seit 2011 aus dem Pfarrdienstausführungsgesetz hatte, wurde die entsprechende Einbeziehung außer beim Hauptdienstrecht (dem Pfarrdienstgesetz, dem Disziplinargesetz und dem Pfarrvertretungsgesetz und ggf. Ausführungsgesetzen) mehrfach vergessen. Es gab zwar jedes Mal eine freundliche Entschuldigung und das klare Versprechen, künftig an unser Stellungnahmerecht auch beim Nebendienstrecht zu denken, aber die Umsetzung erfolgte nur sporadisch.
Noch ungünstiger wirkte sich aus, wenn selbst die Stellungnahmen, die wir abgeben konnten, den maßgeblichen Beschlussgremien nicht vorgelegt wurden. Auf der Herbstsynode 2021 wurde unsere Stellungnahme zum Trauungsgleichstellungsgesetz (TGG, Ausnahmeregelung) in die mündliche Einführung der Kirchenleitung zu den Synodendrucksachen fast wörtlich ohne Quellenangabe als Meinung der Kirchen-leitung aufgenommen und später dann aber in einem Änderungsantrag unter ausdrücklicher Nennung des Pfarrvereins ins Gegenteil verkehrt.
Die folgende Passage aus der Einbringung gibt in etwa unsere Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für das Trauungsgleichstellungsgesetz (TGG) als Meinung der Kirchenleitung wieder:
»Wenn Pfarrer für sich selbst feststellen, ihr vom Schriftverstehen gehaltenes Gewissen erlaubt ihnen keine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare, dann ist das ihre persönliche Position. Im Dienst an den Menschen haben Sie die Pflicht, ihre Aufgabe zu erfüllen. Unsere Lösung: Wir setzen an dieser Stelle auf eine geschwisterliche Verständigung und nicht auf den Dienstzwang. Das heißt konkret: Wollen und können Sie die Amtshandlung nicht selbst vornehmen, dann werden sie SELBST in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit ihren Amtsgeschwistern eine kollegiale Lösung finden. Die Trauung findet statt, das liebende Paar wird nicht zurückgewiesen, wird nicht beschämt, und der Pfarrer in seiner persönlichen Situation wird vor einer Selbstanzeige bewahrt. Der kirchliche Dienst an allen Menschen ist gemeinsame Pflicht und Auftrag. Und: Wir wollen eine Kirche der Vielfalt sein und so eine Kirche benötigt keine Sonderregelung. Ich denke, mit dieser Herangehensweise wäre allen gedient.«
Danach passierte, was immer passieren kann: Ein Mitglied der Kirchenleitung brachte einen Änderungsantrag ein, durch den dann doch eine solche »Sonderregelung« beschlossen wurde.
»Liebe Geschwister,
auf Anregung des Pfarrvereins möchte ich den Antrag stellen, noch eine Ergänzung in Artikel 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes vorzunehmen. Mit dem Vorschlag des Verzichtes auf Artikel (sic!) 5 ist auch der Verweis auf den Artikel 63 (sic!), der Paragraf (sic!) 62 der Lebensordnung verschwunden, deshalb folgende Ergänzung in Artikel 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes als Vorschlag, als Antrag:
'Bedenken gegen die Trauung oder gegen einen Gottesdienst im Sinne des Paragraf (sic!) 62 Absatz 1 Satz 1 der Lebensordnung können nicht allein wegen der Gleichgeschlechtlichkeit einer Ehe oder Lebenspart-nerschaft vorgebracht werden.'
Damit haben wir eine Klärung, die an dieser Stelle angebracht ist und gleich zu Beginn stehen könnte«
Die Synodalen, die unsere Stellungnahme alle nicht bekommen hatten, glaubten jetzt, es handele sich beim Antrag der Pröpstin Dr. Bammel tatsächlich um eine „Anregung des Pfarrvereins", die dann auch vom Ordnungsausschuss unterstützt und mehrheitlich beschlossen wurde.
Allerdings hatte es so eine Anregung von unserer Seite gar nicht gegeben. Der Pfarrverein hatte die Abschaffung der bisherigen Sonderregelung klar begrüßt, ohne eine neue zu fordern oder anzuregen.
Damit Missverständnissen wie diesem in Zukunft vorgebeugt wird, sollten Stellungnahmen von Pfarrvertretungen zu dienstrechtlich relevanten Gesetzesnovellen den Beschlussgremien im Wortlaut vor-gelegt werden müssen. Das sollte in den Pfarrvertretungsregelungen verbindlich festgeschrieben werden.
Der Vorstand des Pfarrvereins
Berlin, den 22.01.2022